Zum Hauptinhalt springen

Netzausbau - Wie gezielte Infrastrukturstärkung die Energiewende fördert


Damit die Energiewende gelingt, muss noch viel passieren. Wie gut ist Bielefeld bereits aufgestellt? Wo hakt es noch? Und welche spannenden Pläne gibt es für die Zukunft? Dr. Lars-Holger Sobek von der Bielefelder Netz GmbH kennt die Antworten.

Schwankende Einspeiseleistungen von Erneuerbare-Energie-Anlagen, der Ausbau von Elektromobilität und Wärmepumpen – die Energiewende stellt die Netzbetreiber vor große Herausforderungen. Sie müssen den Aus- und Umbau der Stromnetze, Gas- und Wärmeleitungen in den nächsten Jahren zielgerichtet umsetzen, damit die Energieversorgung auch in Zukunft sicher und bezahlbar bleibt.



Strombedarf der Zukunft: Bielefeld grundsätzlich gut aufgestellt

„Was das Thema Strom angeht, sind wir in Bielefeld in der komfortablen Situation, dass wir ein historisch gut ausgebautes Netz haben“, sagt Dr. Lars-Holger Sobek, Prokurist bei der Bielefelder Netz GmbH. „Dieses Stromnetz kommt jetzt allerdings in die Jahre und wir müssen sicherstellen, dass die Netzsubstanz fortlaufend erhalten wird und alte Leitungen saniert werden. In diesem Zuge sind wir heute schon dabei, alte Stromleitungen direkt zu verstärken, wenn wir wissen, dass der Strombedarf dort zukünftig steigt.“ Insofern sei man in Bielefeld grundsätzlich erstmal gut für die Zukunft aufgestellt. „Wir sind an den wichtigen und richtigen Themen dran und gestalten unsere Zielnetze so, dass sie den Anforderungen der Energiewende gerecht werden“, so Sobek.



Ausbau von Elektromobilität – eine Herausforderung für die Netzbetreiber

Die Anzahl der Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen nimmt dynamisch zu: Laut des ADAC wurden allein im Juli 2023 knapp 49.000 Stromer zugelassen, das entspricht einem Anteil von 20 Prozent. Damit steigt auch die Anzahl der Anfragen zur Erstellung von Netzanschlüssen für Ladepunkte im privaten und öffentlichen Raum. „Wir haben eine große Hot-Spot-Studie mit der Bergischen Universität Wuppertal für Bielefeld dazu durchgeführt, wo in Zukunft voraussichtlich öffentliche Ladeinfrastruktur für E-Mobilität aufgebaut wird. Und wann“, sagt Dr. Lars-Holger Sobek. „Das betrifft zum Beispiel große Parkflächen, Parkhäuser oder Supermärkte, die verstärkt Ladeinfrastruktur anfordern. Hier beachten wir auch die Spitzen, zum Beispiel Tage oder Uhrzeiten, an denen eine hohe gleichzeitige Nutzung vorhanden ist. In diesen Zeitfenstern wird natürlich viel Ladeleistung gleichzeitig nachgefragt.“



Energiewende: Ohne umfassende Sanierungsmaßnahmen geht’s nicht

Damit die Energiewende in Bielefeld gelingt, sei eine vorausschauende Planung das A und O: „Falls durch die Hot-Spot-Studie absehbar ist, dass an einer Stelle, wo saniert werden muss, in Zukunft auch ein relativ schneller Bedarf an Ladeinfrastruktur notwendig sein wird, nutzen wir die Gelegenheit, um das Netz zu verstärken“, so Sobek. „Heißt, wir müssen unsere Niederspannungsnetze ertüchtigen, aber auch sanieren. Denn die Lebensdauer der Leitungen ist irgendwo endlich. Das kennt man ähnlich von zuhause, irgendwann nach 50, 60 Jahren steht die Erneuerung der Elektroleitungen an – genauso ist es im Stromnetz auch.“



Entlastung für das Netz: E-Autos über die PV-Anlage laden

Auch bei den Privathaushalten sei das Thema Gleichzeitigkeit wichtig: „Hier gibt es zum Beispiel viele Menschen, die ihre Elektroautos nachts laden, dafür wird dann aber zeitgleich beispielsweise kein Strom zum Kochen gebraucht. Heißt, die Leistung, die vielleicht tagsüber bei einem voll eingeschalteten Herd benötigt wird, kann nachts einen Teil der benötigten Ladeleistung abdecken. Deswegen vergleichmäßigt sich das Ganze auch so ein bisschen.“ Oft sei es ja auch so, dass dezentral alles zusammenkäme: „Wenn zum Beispiel eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert ist, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, den PV-Strom zu nutzen um das Auto darüber zu laden. Der Mehrbedarf ist in der Anlage oftmals schon berücksichtigt. Alternativ können auch Speicher, die dezentral im Haus untergebracht werden, genutzt werden, um das E-Auto nachts zu laden. Das entlastet natürlich unser Netz.“



Wärmepumpen: Lokale Stromnetze vor Überlastung schützen

Anders sieht’s beim Thema Wärme aus: „Wenn zukünftig ganz viele Wärmepumpen in Bielefeld installiert werden sollten, die womöglich dann tagsüber oder abends betrieben werden, wenn die Menschen gleichzeitig kochen, dann haben wir eine andere Gleichzeitigkeit und eine andere Belastung auf dem Stromnetz“, erklärt Dr. Lars-Holger Sobek. Aktuell laufe daher eine weitere Studie mit der Bergischen Universität Wuppertal, mit der geschaut werde, wie eine Wärmepumpe eigentlich abhängig von verschiedenen Gebäudetypen taktet. „Zum Beispiel im Altbau, wo eine Wärmepumpe gegebenenfalls anders arbeiten muss als in einem mit Fußbodenheizung ausgestatteten Neubau, der aufgrund seines hohen Isolierungsstandards zudem einen ohnehin niedrigen Wärmebedarf und bessere Speicherfähigkeit für Wärme hat. Im nächsten Schritt aktualisieren wir dann unsere Erkenntnisse zu zukünftigen Auswirkungen von Wärmepumpen auf unser Netz und ergänzen darüber unsere durch E-Mobilität bereits definierten Hotspot-Gebiete.“ Dies ermögliche es, das Thema Wärmepumpen ebenfalls zielgerichtet in die Netzausbauplanung zu integrieren. „Dort, wo also zukünftig vermehrt damit gerechnet werden kann, dass Wärmepumpen eingebaut werden, dimensionieren wir die Stromleitungen und Betriebsmittel wie Transformatoren bei der Sanierung entsprechend groß.“

 

 




Energiewende in Bielefeld: Keine Angst vorm Blackout

Ob man in Bielefeld zukünftig Angst vor einem Blackout haben müsse? „Nein, grundsätzlich nicht.“, sagt Dr. Lars-Holger Sobek, „Im Moment sind wir in der Situation, dass unser Netz den bestehenden Anforderungen gerecht wird. Ein Blackout ist ja immer etwas Großes und Längerfristiges. Selbst das lokale Worst-Case-Szenario ‚Bielefeld ist ohne Strom‘ wird durch ein gutes Gesamtsystem weitestgehend reduziert.“ Denn bevor es zum Blackout komme, würden idealerweise viele Schutzmechanismen greifen. „Da sind erstmal die großen Übertragungsnetzbetreiber gefragt“, sagt Sobek. „Es gibt sogenannte Regelenergie. Wenn zu wenig Energie da ist oder zu starke Schwankungen sind, dann kann man die Netze mit Regelenergie stützen. Zudem haben die Netzbetreiber die Möglichkeit, Erzeuger vom Netz zu trennen, sofern zum Beispiel zu viel Strom durch Wind und PV gleichzeitig ins Netz einspeist. Und falls alle Mechanismen versagen, gibt es noch die Möglichkeit des Lastabwurfs.“ Was das bedeutet? „Unternehmen und Verbraucher können regional kurzzeitig vom Netz getrennt- und wieder zugeschaltet werden, um das Netz zu stabilisieren, bevor ein großflächiger Blackout eintritt“, so Sobek. „Zusammengefasst kann man also sagen, dass das Gesamtsystem sehr gut geschützt ist.“



Aktuell keine Ausfälle wegen Überlastung des Netzes

Auch die aktuellen Störungsstatistiken zeigen in Bielefeld keine Ausfälle aufgrund einer Überlastung des Netzes: „Stattdessen handelt es sich um externe Einwirkungen, zum Beispiel, wenn ein Bagger ein Kabel beschädigt oder ein Baum umstürzt und in eine Stromleitung fällt.“ Atmosphärische Einwirkungen wie Wetterphänomene, oder Störungen durch defekte Betriebsmittel könnten ebenfalls eine Ursache sein. „All diese Dinge haben aber nichts mit der Energiewende zu tun. Hinzu kommt, dass der Bedarf der Kund:innen und die Erzeugung von Energie durch digitalen Fortschritt immer besser aufeinander abstimmt werden können.“ Das läge unter anderem daran, dass es mittlerweile intelligente Messsysteme wie digitale Stromzähler und Smart Meter gäbe. „Dazwischen ist das Netz, das natürlich in der Lage sein muss, die erzeugte Menge dann zu den Kund:innen hinzubringen.“



Netzausbau in Bielefeld: Warum proaktives Handeln jetzt wichtig ist

Trotzdem stellt die Energiewende die Bielefelder Netzbetreiber vor Herausforderungen: „Wir versuchen den Netzausbau und die Netzverstärkung so zu timen, dass der Ausbau mit dem neuen Bedarf Schritt hält und zum Beispiel kein Straßenzug ›ausfällt‹, auch wenn dort jede:r gleichzeitig die Wärmepumpe, den Herd oder andere elektrische Geräte mit höherer Leistung anschaltet.“ Andererseits kann natürlich nicht überall in Bielefeld gleichzeitig ausgebaut werden.
„Wir sind mit unserem Netzausbau in der Pflicht, und wollen das auch idealerweise so rasch vorantreiben, dass da, wo viel Energie benötigt wird, auch ein Netz zur Verfügung steht, das diese Energie bereitstellen kann.“ Hinderlich seien hier unter anderem lange Genehmigungszeiten, zum Beispiel für den Neubau von Leitungstrassen. „Es wäre schön, wenn es irgendwann gelänge, die Genehmigungsverfahren so zu gestalten, dass wir noch schneller agieren können“, sagt Dr. Lars-Holger Sobek.

 

Klimafreundlich heizen: Wie die Wärmewende in Bielefeld gelingen kann

„Neben dem reinen Stromthema gibt es bei der Energiewende auch eine Wärmewende“, so Sobek. „Um die Klimaziele zu erreichen, muss auch die Wärmeenergie zukünftig CO2-frei erzeugt werden, es braucht also Alternativen für die CO2-beaftete Erdgasversorgung. Wir als Bielefelder Netz GmbH beschäftigen uns daher mit der Frage, welche klimafreundlichen Technologien wo in Bielefeld zukünftig sinnvoll zur Wärmeerzeugung eingesetzt werden können. Da hilft es, dass wir bereits heute über ein gut ausgebautes Fernwärmenetz in Bielefeld verfügen, welches perspektivisch noch weitere Ausbaupotenziale bietet. Da Fernwärme im Vergleich zu Strom verbrauchsnah erzeugt wird, muss natürlich auch die zur Verfügung stehende Wärmeerzeugungsleistung im Auge behalten werden. Zu einem Gelingen der Wärmewende gehört sicherlich auch ein hoher Grad an Gebäudesanierungen dazu, der  dazu beiträgt dass insgesamt weniger Energie benötigt wird, und somit auch nicht erzeugt und transportiert werden muss.

Eine weitere Herausforderung sei, dass das Bielefelder Fernwärmenetz zu wesentlichen Teilen in den 70er/80er-Jahren gebaut wurde: „Zusammen mit einem möglichen Ausbau der Fernwärme betrachten wir daher natürlich auch das Bestandsnetz und dessen Erhalt.  Proaktives Handeln ist auch hier das Stichwort, um Störanfälligkeiten zu vermeiden.“



Netzausbau für die Energiewende: Unterstützung der Bürger:innen ist gefragt

Eines wird schnell deutlich: Damit die Energiewende in Bielefeld gelingt, wird es auch in Zukunft noch viele Baustellen geben. „Wir versuchen die Beeinträchtigungen mit einem guten Baustellenmanagement jedoch so gering wie möglich zu halten“, sagt Sobek. „Die Sommerferien sind ein Thema, außerdem gibt es Abgleichungen mit anderen Baustellen in Bielefeld, eine gute Baustellenkommunikation in Bielefeld herzustellen. Oft gelingt das, aber sicherlich werden wir uns auch hier in Zukunft weiter optimieren.“ Auch eine gelungene Kommunikation und die Einbeziehung der Bürger:innen sei wichtig. „Dazu zählen beispielsweise unsere „Muss-ja-Plakate“, an den Baustellen in Bielefeld, wo erklärt ist, was wir mit unseren Maßnahmen eigentlich erreichen wollen.“



Sinnvolle Synergien: Bielefelder Baustellen effektiv für die Energiewende nutzen

„Wir sind außerdem immer bemüht, Baustellen sehr effektiv, kostensparend und idealerweise ohne zu große und lange Beeinträchtigungen umzusetzen“, so Sobek. Dies gelänge auch über Synergien: „Ein aktuelles Beispiel ist die neue Stromtrasse an der Stapenhorststraße – dort wurde gleichzeitig geprüft, welche anderen Maßnahmen, beispielweise in anderen Sparten, in nächster Zeit anstehen und mitbearbeitet werden können. Das vergrößert die Baustelle zwar vielleicht ein wenig, aber führt gleichzeitig dazu, dass wir dort nicht so schnell wieder aktiv werden müssen.“ Dieser Einschnitt in den Alltag sei für die Betroffenen sicherlich immer mit Einschränkungen verbunden und forderte diesen einiges ab. „Aber ein gewisses Grundverständnis für das, was wir da tun – und tun müssen – ist glaube ich da. Zukunftssicherheit ist schließlich ein Thema, das alle gleichermaßen betrifft.“

 


Über die Bielefelder Netz GmbH

Unsere Aufgaben: Entwicklung der Versorgungsnetze und die Gewährleistung der umfassenden Versorgungssicherheit. Darüber hinaus konzentrieren wir uns auf die Weiterentwicklung unterschiedlicher Maßnahmen, um das Bielefelder Netz für die Zukunft zu wappnen und die Energiewende voranzutreiben.