Lärmschutz ist Umweltschutz
Lärm nervt nicht nur, er löst auch zahlreiche Stressreaktionen im Körper aus. Und die können auf Dauer krank machen. Autoverkehr, Baustellen, Bahn und Gewerbebetriebe – Lärmquellen gibt es viele in der Stadt. Wo in Bielefeld ist es aktuell besonders laut? Und was tutmoBiel, um den Bielefelder ÖPNV in Zukunft leiser und klimafreundlicher zu gestalten? Experte Ralf Schönenberg weiß mehr.
Lärm ist ein Gesundheitsrisiko, das lange unterschätzt wurde. Mittlerweile belegen zahlreiche Studien, dass die Folgen hoher Lärmbelastung gravierend sein können: Beträgt diese dauerhaft mehr als 65 Dezibel, wirkt sich das negativ auf unseren Stoffwechsel, den Hormonhaushalt und die Gehirnstromaktivität aus. Langfristig kann eine solche Dauerbeschallung sogar Bluthochdruck verursachen und zum Herzinfarkt führen. Einer Studie des Bundesumweltamtes zufolge erhöht ständiger Verkehrslärm auch das Risiko für Depressionen und Angststörungen.
Es muss also leiser werden auf den Straßen und in den Städten. Auch in Bielefeld, denn hier ist mehr als jede:r Vierte erheblichem Umgebungslärm durch Straßenverkehrslärm ausgesetzt.
Lärmaktionsplan: Beteiligung der Bielefelder Bürgerinnen und Bürger ist gefragt
„Grundsätzlich gibt es in Städten sogenannte Lärmaktionspläne, mit denen Kommunen Maßnahmen zur Minderung der Lärmbelästigung der Bevölkerung festlegen müssen“, erzählt Ralf Schönenberg, Leiter Fahrzeuge bei moBiel. Bielefelder Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, sich online jeweils an der nächsten Lärmaktionsplanung (https://www.bielefeld.de/laermaktionsplan) zu beteiligen. „Auch, wo es Tag und Nacht besonders laut in Bielefeld ist, ist auf der Website der Stadt für alle einsehbar“, so Schönenberg. „Hauptverkehrsadern wie Autobahnen, Schnellstraßen sind auf der Karte wegen der hohen Lärmbelastung violett gekennzeichnet, der Schall wirkt sich aber natürlich auch noch auf die Nebenbereiche aus.“
Besonders betroffen sind unter anderem die Innenstadt, Brackwede-Mitte, die Artur-Ladebeck-Straße, die Herforder Straße und der Bereich nordwestlich des Hauptbahnhofs. Auch an der August-Bebel-Straße ist es zu laut: Hier wurden vom Verkehrsclub Deutschland zu allen Tages- und Nachtzeiten deutliche Überschreitungen gemessen. Wie hoch der Schallpegel an der August-Bebel-Straße gerade ist, lässt sich über die Website des Verkehrsclubs ganz einfach live verfolgen.
Mehr Lärmschutz im ÖPNV: Moderne Fahrzeuge machen’s möglich
Vor allem die vielen Autos auf Bielefelds Straßen sind ein Problem. Anfang 2023 gab es über 20 Prozent mehr Kraftfahrzeuge in der Stadt als im Jahr 2010. In Sachen Verkehrswende ist also noch Luft nach oben. Aber auch der ÖPNV produziert Lärm: Busse, die bremsen und beschleunigen, quietschende Straßenbahnen auf den Schienen … Welche Fortschritte gibt es hier? „Klar, je älter die Fahrzeuge, desto lauter sind sie“, sagt Schönenberg. Insgesamt kann man aber sagen, dass unsere Fahrzeuge – im Vergleich zu vor zehn Jahren – extrem leiser geworden sind. Wir waren hier sogar an Forschungsprojekten beteiligt und haben an unseren Strecken durch spezielle Forschungsinstitute Schallmessungen machen- und verschiedene Dinge testen lassen, um Lärmquellen bestmöglich zu reduzieren. Sowohl an den Strecken als auch an unseren Fahrzeugen. Denn in letzter Konsequenz ist das ja ein Zusammenspiel. Insgesamt kann man sagen, dass wir hier in Deutschland ziemlich führend sind, was klimafreundliche Fuhrparks betrifft. Und davon profitiert natürlich auch der Lärmschutz.“
Schon gewusst? Warum die Bahn bei Regen besonders leise fährt
Ein Problem, das vor allem Anwohner:innen von Straßen mit Bahnschienen beklagen, ist das Thema Quietschen. „Das bekommt man leider nicht immer weg“, sagt Ralf Schönenberg. „Es wurde da schon ganz viel Forschung reingesteckt, und es gibt auch viele Systeme dagegen, aber völlig gelöst werden konnte das Problem nicht.“ Ob Straßenbahnen quietschen, hänge von ganz vielen Faktoren ab: „Das Wetter spielt eine mega Rolle“, so Schönenberg. „Bei Regen quietscht es nie, aber bei extrem trockenem Wetter. Das sind dann die klassischen Tage, wo wir sagen: Okay, jetzt haben wir hier wieder richtig Spaß überall, weil dann Schwingungen entstehen, die zum Quietschen führen. Luftfeuchtigkeit, Temperatur – da kommt vieles zusammen. Hört sich ganz trivial an, aber am besten müsste es immer regnen, damit die Straßenbahn nicht quietscht“, sagt er lachend.
Gegen Geräusche der Straßenbahn: Schmieranlagen & Co.
„Wir tun jedoch alles, um das Problem so weit wie möglich zu beheben. Deswegen haben wir zum Beispiel über 20 Schmieranlagen im Netz, wo im Prinzip an die Innenkante der Schienen, eine Art Schmiermittel drangegeben wird. Für uns Fahrzeugleute ist das immer die schlechtere Variante, da dies natürlich eine Verunreinigung der Schienen mit sich bringt und sich das negativ auf Bremswege etc. auswirken kann.“ Deswegen dürften Schmiermittel nur sehr dosiert und nur an der Seitenflanke genutzt werden.
„Zwischen den Haltestellen Deciusstraße und Kattenkamp haben wir zum Beispiel eine Anlage, die ich persönlich total genial finde: Die sogenannte Betauungsanlage. Mit ihr wird über feine Düsen Wasser auf die Strecke gesprüht, sobald eine Bahn kommt – und dann ist Ruhe.“ Eine Eigenentwicklung, die allerdings nur bei nicht straßenbündigen Gleisen funktioniert. „Die Betauungsanlage hat den Vorteil, dass sie nur sehr wenig Wasser benötigt – pro Einsatz, nur anderthalb Liter. Und sie wird auch nur bei Trockenheit ausgelöst, da sie einen Regensensor hat. Eine geniale Sache, davon hätte ich gerne noch viel mehr im Netz.“
Weniger Lärm: Vamos-Wagen sind die Stars der Stadtbahn-Flotte
Es wird also schon sehr viel gemacht, um Geräusche auf ein Minimum zu reduzieren. „Alles, was technisch möglich ist“, so Ralf Schönenberg. Und welches ist aktuell mit Abstand das leiseste Fahrzeug im ÖPNV? „Bei Regen ist das unser Vamos aus der zweiten Serie“, sagt Ralf Schönenberg. „Wenn man den neben die anderen Fahrzeuge stellt, wird das deutlich. Allein die Verkleidungen sind bei ihm viel weiter runtergezogen, um Lärm zu reduzieren, es wurden andere Baumaterialien verwendet, andere Dämmstoffe. An den Radreifen gibt es Radschallabsorber, die auch dazu führen, dass Schall minimiert wird.“ Auch hier habe moBiel sehr hohe Summen investiert, um den Bielefelder ÖPNV leiser und klimafreundlicher zu machen. „Allein diese zweite Lieferung hat fast 100 Millionen Euro gekostet“, so Schönenberg.
Klimafreundlich und leise: Die neuen Range-Extender-Busse von moBiel
Doch damit nicht genug: „Hinzu kommen die 25 neuen Range-Extender-Busse, da reden wir auch über eine Investition von über 40 Millionen Euro. Also inklusive der dafür benötigten Erweiterung des Betriebshofes an der Müllverbrennungsanlage für die alternativen Antriebe.“ Range-Extender sind Busse, die einen relativ großen Anteil an Batterie-Kapazitäten haben, zusätzlich befindet sich noch eine Brennstoffzelle mit Wasserstofftanks auf dem Fahrzeug, um die Reichweite zu erhöhen. „Wir haben Tagesumläufe, wo die Fahrzeuge teilweise über 21 Stunden draußen sind und an die 400 Kilometer fahren – das ist mit rein batteriebetriebenen Bussen leider noch nicht möglich.“
Wunsch für die Verkehrsplanung: Mehr Busspuren für Bielefeld
Damit Busfahren in Zukunft noch attraktiver für die Bielefelder:innen wird, würde sich Schönenberg bei der Verkehrsplanung mehr Busspuren wünschen: „So müssten die Busse nicht mehr in den Mega-Staus stehen. Das würde einen tollen Anreiz setzen, mit dem Bus statt dem Auto zur Arbeit zu fahren, weil es dann einfach schneller geht. Das sollte das Ziel sein.“
Potenzial sieht er dafür zum Beispiel an Stellen, wo es sowieso schon gute Radwege gibt, wie an der Artur-Ladebeck-Straße. „Auch wenn ich selbst immer mit dem Fahrrad fahre, sollte man nicht vergessen, dass ein gefüllter Bus rund 30 Pkw ersetzt und nicht jede:r – auch bei Wind und Wetter – Radfahren möchte oder kann.“
Weniger Lärm in Bielefeld – das können Bürgerinnen und Bürger tun
Dafür, dass es auf Bielefelds Straßen leiser wird, können wir alle was tun. Alternativen zum Auto gibt es mittlerweile viele. „Lärmschutz geht ganz einfach: Den ÖPNV und unsere zahlreichen Sharing-Angebote nutzen, Fahrrad fahren oder halt zu Fuß gehen“, so Ralf Schönenberg. „Je mehr Menschen mitmachen, desto leiser wird’s auf Bielefelds Straßen.“